Ereignisbericht lesen

    



 Bei PrĂ€medikation in Schleuse: Maligne Hyperthermie durch Eltern nicht mitgeteilt worden.Riskoeinschätzung
Bedeutung ⁄ Schweregradgefährlich ⁄ kritisch / negatives BeispielHäufigkeitweniger als ein mal pro Jahr
Riskiko / Schwere: 4  ∼   Häufigkeit: 1
Rolle im EreignisArzt / Ärztin / aktivBerufserfahrungkeine Angabe
Patientenzustand
Wichtige BegleitumständePrĂ€medikation regelhaft in der Schleuse am OP-Tag.
Fallbeschreibung

(Was, Warum, Kofaktoren, Maßnahmen, Verlauf, Epikrise)

Üblich sind PrĂ€medikationen am OP-Tag in der Schleuse. Das Kind war schon mehrmals in Vollnarkose voroperiert. Die Eltern des Kindes sprechen nur wenig deutsch. Bisher sind laut AufklĂ€rungsbogen keine NarkosezwischenfĂ€lle bekannt. Das Kind soll sofort als erster Punkt drankommen und wird deshalb nicht mit Dormicumsaft prĂ€mediziert. Auf dem OP-Plan steht beim zweiten Patienten Maligne Hyperthermie als Besonderheit. Das Kind wurde (zum GlĂŒck) intravenös eingeleitet und wĂ€hrend OP weiter mit Propofol betĂ€ubt. Bei der laufenden Narkose muß der zweite Patient in der Schleuse prĂ€mediziert werden (Pflegepersonal ĂŒberwacht laufende Narkose). Dieser weiss nichts von MH. Deshalb im Saal mehrere Telefonate mit Ambulanz etc. Eine Person des OP-Teams bekommt das Problem mit und meint, dass das aufliegende Kind wohl die MH habe. Letztlich hatte das Kind bei der ersten Narkose seines Lebens eine MH durchgemacht, die mit Dantrolene in unserem Haus behandelt wurde.Schlagwörter
AnÀsthesie
Einleitung
Anamnese
Übertragungsfehler
Spezielle Befunde, Patientenunterlagen
Verwechslung Unterlagen
Was war besonders gut

(hat zur Abschwächung des Ereignisses oder zur Verhinderung geführt?)

"Alle beteiligten hatten das GlĂŒck, daß trotz fehlender p.o.-PrĂ€medikation ein i.v.Zugang sofort möglich war und nicht inhalativ eingeleitet wurde. Sonst hĂ€tten ""alle Filter versagt""."
Was war besonders ungünstig

(hat die Situation noch schlimmer gemacht)

"Folgende Kofaktoren hĂ€tten fast zur Katastrophe gefĂŒhrt: -PrĂ€medikation in der Schleuse unter zeitlichem Druck. -Alte Narkoseprotokolle waren nicht in der Ambulanzkarte (vermutlich wegen Dokumentationszwecken entnommen und nicht wieder zurĂŒckgelegt oder in der ""stationĂ€ren Akte"", welche nicht vorlag). Im Nachhinein zeigte sich bei der Durchsicht einer ca. 10cm dicken Akte, daß auf einem Durchschlag eines maschinenschriftlichen OP-Berichts die MH beschrieben war. Auf OP-Berichte wird aber in der Regel nicht seitens der AnĂ€sthesie geachtet. Man sucht nur nach alten Narkoseprotokollen) -Eltern bekamen einen deutschen AufklĂ€rungsbogen und haben alle Fragen bezĂŒglich ZwischenfĂ€llen verneint. VerstĂ€ndigungsproblem? -Die danach angesprochenen Eltern gingen davon aus, dass die MH bekannt ist. Außerdem hatte das Kind ja zwischenzeitlich einige Narkosen ohne ZwischenfĂ€lle gehabt. -Die Eltern haben den vorhandenen AnĂ€sthesieausweis nicht mitgebracht, auf dem die MH vermerkt ist. -Der Bereichsoberarzt, welcher das Kind kannte war im Urlaub. Er hĂ€tte den Namen erkannt. -Der durchfĂŒhrende AnĂ€sthesist wurde nicht ausreichend eingefĂŒhrt. (Bei regelhafter EinfĂŒhrung wĂ€re bekannt gewesen, daß ein Ordner mit frĂŒheren ""ProblemfĂ€llen"" existiert). -Im schriftlichen OP-Programm ist die Bemerkung MH in die falsche Zeile zum folgenden Patienten gerĂŒckt."
Eigener Ratschlag PrĂ€medikationsvisite in AnĂ€sthesieambulanz, wenn Patient in Ambulanz des operativen Faches (nicht regelhaft in der Schleuse). Wird in unserem Haus mittlerweile meist durchgefĂŒhrt. Fremdsprachlicher AufklĂ€rungsbogen ist unerlĂ€sslich.
 Gedanken zur Analyse und zu Präventionsmöglichkeiten
Der vorliegende Fall beschreibt sehr eindrucksvoll typische Probleme des anaesthesiologischen Alltags: UnvollstĂ€ndige oder fehlende Dokumentation, mangelnde Kommunikation, FlĂŒchtigkeitsfehler, Entscheiden und Handeln unter Zeitdruck.

Es sollte heutzutage immer möglich sein, AufklĂ€rungsbögen in der Muttersprache des Patienten bereitzustellen (organisatorische Anregung). Ansonsten wird man immer ein (auch rechtliches) Problem mit der AufklĂ€rung haben. Also ist diese Optimierung nicht nur zum Schutz (und auch zur WertschĂ€tzung) des Patienten geeignet, sondern sorgt auch fĂŒr zusĂ€tzliche Sicherheit fĂŒr die Behandelnden. Im Rahmen der AufklĂ€rung sollte immer noch einmal explizit nach NarkosezwischenfĂ€llen und MH (-Disposition) gefragt werden (auch wenn ein "NEIN" auf dem Bogen vorab angekreuzt wurde) - nicht jedem ist diese Komplikation und ihre Auswirkung auf zukĂŒnftige Narkosen so genau bekannt.

Alle verfĂŒgbaren Unterlagen mĂŒssen fĂŒr die anaesthesiologische prĂ€operative Evaluation bereitliegen. Es ist auch vor dem Hintergrund einer juristischen Auseinandersetzung sicher schwer nachvollziehbar, wenn fehlende Unterlagen "nicht mehr rechtzeitig beschafft" werden konnten. Zur Erhöhung der Patientensicherheit sollten alle verfĂŒgbaren Informationen genutzt werden. Im geschilderten Fall gingen die Eltern ja offensichtlich davon aus, dass die MH-Disposition allgemein bekannt war.

Dass irrtĂŒmlich ein anderer Patient auf dem OP-Programm mit der MH-Disposition gekennzeichnet war, sollte zum Anlass genommen werden, die Erstellung des OP-Programms zu ĂŒberprĂŒfen: Oft wird doch die Reihenfolge des OP-Plans kurzfristig verschoben, und dann mit dem Hinweis "der erste Patient in Saal 1 wird zum 2. Patienten im Saal 2" - hier könnte durch die Benennung mit dem Patientennamen mehr Sicherheit erreicht.

Die Informationsweitergabe sollte anĂ€sthesieintern besonders gewissenhaft, z.B. in der FrĂŒhbesprechung, auch hier unter Nennung des Patientennamens bei Besonderheiten, erfolgen. So kannn der fĂŒr diesen Saal eingeteilte AnĂ€sthesist vorab sensibilisiert werden.

Dass im geschilderten Fall keine inhalative Einleitung unternommen wurde, war insgesamt vermutlich ebenso zufĂ€llig wie die Tatsache, dass der BereichsanĂ€sthesist, der das Kind kannte, an diesem Tag nicht vor Ort war. Auch ein "Ordner" mit (wiederkehrenden) Problempatienten löst vermutlich dieses Informationsproblem nicht, weil dann jeder AnĂ€sthesist jeden Tag in diesen Ordner gucken mĂŒsste. FĂŒr die "Routine" ist sicher eine derartige Datenbank in der PrĂ€medikationsambulanz sinnvoll (in der alle zur PrĂ€medikation angemeldeten Patienten von der dortigen Arzthelferin / Pflegekraft auf Besonderheiten "gescreent" werden), aber sie ersetzt - gerade bei AkutfĂ€llen - nicht die VollstĂ€ndigkeit der Patientenunterlagen. Könnte man dicke Patientenakten (viele Widerholungseingriffe) mit einem farbigen Aufkleber dauerhaft als "Akte fĂŒr Problempatienten" kennzeichnen?

Letztendlich unterstreicht der geschilderte Fall auch die Bedeutung einer ausreichenden Zeitspanne fĂŒr die prĂ€operative Evaluation. Zeitnot, VerstĂ€ndigungsschwierigkeiten und ein unsichere Überblick ĂŒber die Vorgeschichte sind Risikofaktoren, die die Patientensicherheit sehr gefĂ€hrden können. Und der AnĂ€sthesist, dem der Zwischenfall passiert, hat wenig davon, wenn ihm sein Tun im Nachhinein lediglich als "Folgefehler" attestiert wird...
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beitragender Faktor
Administrative Faktoren - (Arbeitsumgebung)
- eine PrÀmedikation ist Pflicht. Ein Verzicht darauf ist nicht mit Zeitdruck zu entschuldigen.
- seit 7/2004 ist eine PrĂ€medikation außerhalb der PrĂ€medikationsambulanz eine RaritĂ€t geworden.
- fehlende Akten trotz Vermerks des prÀmed. Kollegens sind leider immer noch an der Tagesordnung, v.a. bei zunehmender just-in-time-Medizin.
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