Ereignisbericht lesen

    



 Differenzierung neurologisch - neurochirugischRiskoeinschätzung
Bedeutung ⁄ Schweregradgefährlich ⁄ kritisch / negatives BeispielHäufigkeitweniger als ein mal pro Jahr
Riskiko / Schwere: 4  ∼   Häufigkeit: 2
Rolle im Ereigniskeine Angabe / keine AngabeBerufserfahrungkeine Angabe
PatientenzustandÄltererPatient erleidet im Beisein einer Rettungsdienstbesatzung (die ihn wegen anderer Erkrankung in eine medizinische Klinik transportierten sollte) plötzlich eine Aphasie und eine Schwäche im rechten Arm und wird unruhig.
Wichtige BegleitumständeVom Notfallort ist die nächstgelegene Klinik mit CT und Stroke Unit etwas mehr als 10 Fahrminuten entfernt, die nächstgelegene Klinik mit Neurochirurgie deutlich weiter. Ein Lufttransport ist aus Witterungsgründen nicht möglich.
Fallbeschreibung

(Was, Warum, Kofaktoren, Maßnahmen, Verlauf, Epikrise)

"Patient ansprechbar, aber aphasisch. Soweit beurteilbar, weiterhin orientiert (befolgt Anweisungen, wenngleich ängstlich und unruhig), Schwäche in der oberen Extremität einseitig (kann mit Mühe gegen die Schwerkraft gehoben werden, Finger-Nase-Versuch nicht durchführbar, Adiadochokinese). Keine Pupillendifferenz, keine Verlangsamungs- oder Eintrübungstendenz. Die RD-Besatzung fordert den Notarzt nach und ersucht die Leitstelle um Benennung eines ""Bettes"" bei V.a. ICB. Auf das Stichwort ""ICB"" sucht die Leitstelle nach einer nahegelegenen neurochirurgischen Versorgungsmöglichkeit - die nächstgelegene (aber >50 Fahrminuten entfernte) Klinik mit Neurochirurgie ist aufnahmebereit. Der zwischenzeitlich eintreffende Notarzt nimmt dies zur Kenntnis und transportiert in die Neurochirurgie, obgleich eine Stroke Unit mit Interventionsmöglichkeit (Lyse) in etwas mehr als 10 Minuten zu erreichen gewesen wäre. Im CCT wird eine Blutung ausgeschlossen, während der Fahrt bildete sich auch die Symptomatik fast vollständig (die Hemiparese bis auf leicht dysmetrischen FNV und die Aphasie bis auf leichte Wortfindungsstörungen) zurück. Der Patient wird wegen seiner TIA auf die Neurologie (Stroke unit) aufgenommen. Eine Indikation zur Thrombolyse besteht nicht."Schlagwörter
Notfallmedizin
Boden
Zentrales Nervensystem
Was war besonders gut

(hat zur Abschwächung des Ereignisses oder zur Verhinderung geführt?)

Gut war, dass sich durch die Spontanbesserung kein Interventionsbedarf zeigte. Somit wurden keine dringend erfoderlichen Maßnahmen verzögert.
Was war besonders ungünstig

(hat die Situation noch schlimmer gemacht)

"Zunächst wurde von der RTW-Besatzung anstelle der Diagnose ""Akutes neurologisches Defizit"" (=V.a.Stroke) die Verdachtsdiagnose ""intracranielle Blutung"" in den Raum gestellt, ohne dass hierfür hochgradige Verdachtssymptome (wie progrediente Eintrübung oder Pupillendifferenz) erkennbar wären. Leitstelle und Besatzung fixieren ihre Zielklinik-Überlegungen daraufhin auf eine Neurochirurgie und blenden eine nahegelegene Stroke unit als Transportziel aus. Auch der dann eintreffende Notarzt nimmt den zwischenzeitlich gebahnten Weg kritiklos hin. Hätte sich die Symptomatik nicht gebessert, wäre er um einige Zeit später als nötig lysiert worden (zuzurechnen die neurologische Vorbereitungszeit). Folglich waren letztlich vorschnelle Schlussfolgerungen an drei Stellen der Versorgungskette (RTW, Leitstelle, Notarzt) der Grund dafür, dass nicht der schnellere Weg eingeschlagen worden ist."
Eigener Ratschlag "Vorsicht mit schnellen ""Schlagwort-Diagnosen""!. Vorsicht bei der kritiklosen Übernahme von Verdachtsdiagnosen! Bewusstseinsklare Patienten mit neurologischen Ausfällen sollten (nach Ausschluß einer Hypoglykämie) dorthin gebracht werden, wo schnellstmöglich diagnostiziert (CCT) und therapiert (lysiert) werden kann, d.h. in eine Klinik mit Stroke unit. Bei Blutungen kann - sofern überhaupt erforderlich - dann immer noch über eine Verlegung in eine Neurochirurgie nachgedacht werden."