Ereignisbericht lesen

    



 Medikamentenverwechslung Urapidil - AtracuriumRiskoeinschätzung
Bedeutung ⁄ Schweregradgefährlich ⁄ kritisch / negatives BeispielHäufigkeitnur dieses mal
Riskiko / Schwere: 4  ∼   Häufigkeit: 2
Rolle im EreignisArzt / Ärztin / aktivBerufserfahrungkeine Angabe
PatientenzustandPatient mit bekannter arterieller Hypertonie
Wichtige BegleitumständeStoßzeit im Aufwachraum, es werden gleichzeitig mehrere Patienten gebracht
Fallbeschreibung

(Was, Warum, Kofaktoren, Maßnahmen, Verlauf, Epikrise)

Patient liegt postoperativ im AWR. Patient ist hypertensiv entgleist, verneint jedoch Schmerzen. Es werden vermeintlich fraktioniert 12,5mg Ebrantil gegeben. Der Blutdruck steigt auf Werte um 250/120 mmHg. Beim Patienten fällt ein generalisierter Flush auf, kurz daraufhin wird der Patient apnoeisch. Patient muss reintubiert werden und wird unter dem V.a. einer intrakraniellen Läsion der Diagnostik zugeführt. Bei Durchsicht der gegebenen Medikamente fällt auf, dass anstatt Ebrantil Tracrium gegeben wurde. Beide Medikamente besitzen die gleiche Ampullengrösse und ein ähnliches rotes Etikett.Schlagwörter
Anästhesie
Aufwachraum
Medikamentenverwechslung (Dosis, Applikation)
Was war besonders gut

(hat zur Abschwächung des Ereignisses oder zur Verhinderung geführt?)

Vom Pflegepersonal wurde sofort die Apnoe bemerkt und eine Beatmung initiiert. Es kam zu keinem Zeitpunkt zu einem Sättigungsabfall
Was war besonders ungünstig

(hat die Situation noch schlimmer gemacht)

Die Ebrantil Ampullen waren im Ampullarium ausgegegangen
Eigener Ratschlag "Im AWR benötigt man eigentlich keine Tracrium Ampullen, sie sind nur deswegen im Ampullarium, damit alle ""gleich"" eingerichtet sind."
 Gedanken zur Analyse und zu Präventionsmöglichkeiten
"Dieser Fall ist gut ausgegangen, dank der Aufmerksamkeit des Personals zum richtigen Zeitpunkt. Dennoch geht es um ein häufiges Problem, das in einer so komplexen Arbeitsumgebung wie dem Aufwachraum potentiell gefährlich sein kann. Folgende Probleme können identifiziert werden: 1. Es wurde ein Muskelrelaxans (Atracurium = TracriumR) statt eines Antihypertensivums (Urapidil = EbrantilR) gegeben. 2. die Ampullen beider Präparate sehen ähnlich aus. 3. Die Medikamente sind in allen Wagen gleich sortiert und gelagert - unabhängig vom ""Einsatzort"". 4. Das Aufziehen des Medikaments wurde offensichtlich nicht überprüft. Der Aufwachraum ist eine komplexe "Drehscheibe" im OP-Betrieb: Viele kommen, bleiben kurz, ordnen an, visitieren, verlegen etc. Ein hoher Personal- und Patientendurchsatz kennzeichnen diesen Bereich, das Personal steht unter hohem Zeitdruck (Durchlauf) und Erfolgsdruck (Patienten fitbekommen für rechtzeitige Verlegung, um keinen Stau in den OP-Sälen zu provozieren). Insbesondere wenn viele Patienten gleichzeitig eintreffen oder verlegt werden, erhöht sich die Arbeitsbelastung immens. Umso wichtiger ist es, bestimmten Tätigkeiten die notwendige Priorität einzuräumen: Hierzu gehört auf jeden Fall die Medikamentenanordnung und - vorbereitung bis zur Applikation. Eine Medikamentenanordnung sollte mündlich und schrift erfolgen und anerkannten Regelen folgen: Nennung des Medikamentennamens einheitlich (Wirkstoff oder Handelsname oder beides), Dosis und - optimalerweise - auch die dazugehörige Menge in Millilitern. Gerade bei ähnlich klingenden Medikamenten ist sonst der Verwechslung Tür und Tor geöffnet (Esmeron - Ebrantil - Esmolol etc). Die vorbereitende Person sollte die Anordnung wiederholen und das Medikament, wenn aufgezogen, zusammen mit der Ampulle von einer zweiten Person (Arzt, Pflegekraft) kontrollieren lassen. Die Gabe solte laut bestätigt werden (Medikament xy, z mg sind drin""). Das klingt scheinbar sehr umständlich, braucht aber kaum Zeit und andererseits erhöht es die Sicherheit enorm. Eine Medikamentengabe ist ncihts Banales und muss in Ruhe erfolgen können, ohne dass der Vorgang x-mal unterbrochen wird durch Fragen, Anweisungen, Zeitdruck. Kritisch sind in diesem Zusammenhang bestimmte Abhilfe-Rituale zu sehen, bei denen ""morgens um sieben"" alle möglichen Medikamente für die nächsten Stunden aufgezogen werden. Das birgt enorme Fehlerquellen. Also sollten Medikamente immer erst dann aufgezogen werden, wenn sie konkret gebraucht werden. Gerade Medikamente, deren Ampullen ähnlich aussehen, müssen besonders kritisch überprüft werden. Vielleicht sollte die Krankenhausapotheke mit involviert werden, um evtl. Medikamente anderer Hersteller vorzuziehen. Ampullendesign, -beschriftung und -größe dürfen nicht maßgeblicher Faktor bei einer Medikamentenverwechslung werden! In diesem Fall wurden die Medikamentenwagen neu sortiert. Oft wird versucht, durch eine gleiche Ausstattung der Anästhesiewagen Fehler zu verhindern - das ist auch gut so. Andererseits muss in Betracht gezogen werden, dass zur Einleitung oder intraoperativ andere Ausrüstung gebraucht wird als postoperativ im Aufwachraum, wo viele Medikamente nur "im Notfall" verabreicht werden. Man könnte also die Wagen je nach Gebrauchsort in ""Anästhesiewagen"" und reduzierte "Notfallwagen" (auch für Funktionsbereiche oder auf Wachstation) unterteilen und einrichten. Medikamentenfächer sollten grundsätzlich deutlich und mit großer Schrift beschriftet sein (keine Mikro-Etiketten außen aufs Fach kleben). Alphabetische Anordnung ist für den Ernstfall sicher besser als Anordnung nach Wirkgruppen (Katecholamine, Relaxantien, Antihypertensiva etc.) Alle Ausrüstung funktioniert nur so gut wie das Personal damit umgehen kann und will: Unterstützung, Schulung und wiederholte Schulung gehört in diesem komplexen Arbeitsbereich sicher zu den obersten Prioritäten. Wenn das Stammpersonal im Aufwachraum sich ""blind"" auskennt und dieses immer wieder übt, wenn die Medikamentenverordnung, -vorbereitung und - applikation störungs- und unterbrechungsfrei erfolgen kann, dann wird dieser geringer Mehraufwand an Zeit bei der Medikamentenvorbereitung und -gabe nciht sonderlich ins Gewicht fallen. Zusammenfassung der Maßnahmenempfehlung: 1. Algorithmus erarbeiten für Medikation: Anordnung, Vorbereitung mit Kontrolle, Applikation und deren Bestätigung. Ist genügend Personal vorhanden, um das ungestört zu tun? 2. Ampullen ähnlich klngender Medikamente prüfen --> Krankenhausapotheke involvieren, evtl. andere Präparate gleichen Wirkstoffs bestellen? 3. Ausstattung der Wagen erneut überprüfen, evtl. mit zwei ""Wagentypen"" (z.B. ""Anästhesiewagen"" vs. ""Notfallwagen"")arbeiten. Hier gibt es sicher gute Vorschläge vom gesamten Personal --> Arbeitsgruppe anregen. 4. Besondere, wiederholte und motivierende Einarbeitung von Aufwachraummitarbeitern (erkennen: Arbeit im Aufwachraum ist etwas Besonderes und Schwieriges): Unterschiede in den Anästhesiewagentypen, Modalitäten der Medikamentengabe, trotz aller Hektik: Zeitnehmen für Aufgaben hoher Priorität: Medikamente...

Maßnahmen:
- Alle Anästhesiewägen incl.Schockraum und Aussenbereiche sind nun gleich ausgestattet.
- Alle Narkosewagen und Medikamentenfächer wurden neu organisiert, um z.B. Verwechslungen auszuschliessen.
- Der Zwischenfall hat gezeigt, dass es wichtig war, diese Umorganisation durchzuführen und kam eigentlich "zum richtigen Zeitpunkt".
- Als Maßnahmen wurden eine erhebliche Reduktion der Medikamente, eine alphabetische Ordung und Vermeidung von Doppelbelegung in den Fächern durchgeführt.
- Beim Anreichen von sterilen Medikamenten wurde allen Mitarbeitern Pflege / Ärzte empfohlen den Medikamentennamen und Konzentration ( z.B. Lokalanästhetika) laut vorzulesen und Ampulle mit Aufschrift zu zeigen.
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