Ereignisbericht lesen

    



 Tablettenintoxikation in der ArztpraxisRiskoeinschätzung
Bedeutung ⁄ Schweregradgefährlich ⁄ kritisch / negatives BeispielHäufigkeitjede Woche
Riskiko / Schwere: 4  ∼   Häufigkeit: 4
Rolle im Ereigniskeine Angabe / aktivBerufserfahrungkeine Angabe
PatientenzustandLiegend, wach, ansprechbar, kreislaufstabil, sehr müde, depressiv, orientiert.
Wichtige BegleitumständeRettungswagen wurde mit Sonderrechten zur Arztpraxis geschickt. Meldung: Internistischer Notfall ohne Notarzt.
Fallbeschreibung

(Was, Warum, Kofaktoren, Maßnahmen, Verlauf, Epikrise)

Situation: Das Rettungsdienst-Team kommt in die Arztpraxis. Dort liegt ein Patient auf der Untersuchungsliege. Er ist wach, ansprechbar, kreislaufstabil, sehr müde, depressiv, aber zur Situation und Zeit orientiert. Der Hausarzt übergibt die Einweisungspapiere. Ãœbergabe der Arztpraxis: ,,Patient sei in die Praxis gekommen, es stellte sich heraus, dass es sich um eine Tablettenitoxikation mit einem Diazepampräperat handelte. Der Patient habe die Tabletten am Vormittag eingenommen. Eine Ampulle Flumazenil wurde i.v. verabreicht, daraufhin sei der Patient wacher geworden, allerdings habe er erbrochen und starke emotionale Äußerungen von sich gegeben". Nach der Ãœbergabe wurde der Patient auf den Tragestuhl gesetzt(selbstständiges Umsteigen möglich), an das Monitoring angeschlossen. Im Rettungswagen wurde bei einer normalen Raumluftsättigung noch Sauerstoff über die Nasensonde gegeben. Transport: Eine Voranmeldung für die Intensivstation des nächstliegenden Krankenhaus wurde nicht vorgenommen, es wurde bei der Leitstelle das Transportziel Notaufnahme angegeben. Die Fahrt wurde ohne Sondersignal durchgeführt. Der Patient blieb im Tragestuhl sitzen, wurde überwacht. Bei der Anamnese durch den Rettungsassistenten konnte der Patient adäquat auf die Fragen antworten. Der Patientenzustand blieb stabil. Der Patient versuchte mehrmals zu erbrechen, was aber nicht gelang. Während der Fahrt wurde der Patient schläfrig. Ãœbergabe in der Klinik: In der Notaufnahme wurde überrascht festgestellt, dass es sich um eine Tablettenintoxikation handelte, die nicht vorangemeldet war und die nicht durch einen Notarzt begleitet wurde. Der Patient wurde soporös vorgefunden, alle Vitalwerte waren allerdings stabil. Daraufhin wurde sofort nochmals Flumazenil verabreicht und der Patient auf die Intensivstation verlegt, welche glücklicherweise noch Kapazitäten hatte. Epikrise: Das sich in der Arztpraxis dargebotene Notfallbild hätte eine Nachforderung des Notarztes unbedingt nötig gemacht. Der Patient wurde zwar stabil übergeben, allerdings hätte beachtet werden müssen, dass die Halbwertszeit des Antidots Flumazenil eine kürzerer ist, als die Tablettenwirkung durch das Diazepampräperat. Durch die Ãœbergabe des Hausarztes und den Zustand des Patienten drang eine Nachforderung in den Hintergrund und wurde auch nicht mehr auf der Fahrt in Erwägung gezogen. Der Hausarzt hatte sich weder gegen eine Nachforderung geäußert, noch entstand der Eindruck auf der Fahrt diese sei notwendig. Der Patient wurde sitzend im Tragestuhl belassen, weil er zu Transportbeginn noch einen stabilen Eindruck gemacht hat und weil er so geschickt und schnell aus der Praxis in den Rettungswagen befördert werden konnte. Er hätte aber zwingend liegend transportiert werden müssen. Potenziell steht bei einer Tablettenintoxikation durch Diazepam eine Verminderung des Atemantriebs im Vordergrund. Wäre dies entstanden, hätte man den Patienten nur liegend richtig beatmen können. Die Voranmeldung wurde völlig vergessen, bzw. verdrängt, da durch die Einweisungspapiere der Eindruck entstand, es sei bereits alles arrangiert. Allerdings hätte im Hinterkopf behalten werden müssen, dass der Rettungswagen als Notfall in die Praxis ohne bereits feststehendes Transportziel angefahren wurde. Außerdem ist eine Ãœberwachung auf der Intensivstation mit Tablettenintoxikation Standard. Zusammenfassend kann man sagen, dass "Situation Arwareness" über das Notfallbild nicht vorlag, obwohl es eigentlich keine Wissensdefzite gibt. Es wurden drei Fehlentscheidungen kurz hintereinander gefällt und die ganze Fahrt über nicht korrigiert. Eine große Ãœberraschung war in der aufnehmenden Klink vorprogrammiert. Der Situationsverlauf hätte vom Rettungsassistenten jederzeit beeinflusst werden können. Schlagwörter
kein Eintrag
Was war besonders gut

(hat zur Abschwächung des Ereignisses oder zur Verhinderung geführt?)

Ständiges Monitoring
Was war besonders ungünstig

(hat die Situation noch schlimmer gemacht)

1. Patient wurde sitzend, statt liegend transportiert
2. Es fand keine spezielle Voranmeldung statt
3. Es wurde kein Notarzt nachgefordert.
Eigener Ratschlag Trotz einer sehr guten Übergabe und Vorversorgung durch den Hausarzt wurde das Gefahrenpotenzial dieses Notfallbildes unterschätzt. Es wurde nicht aufgrund der Fakten über den Transport und Notarztnachforderung entschieden, sondern man ließ sich von den dargebotenen Gegebenheiten leiten. Bei manchen Stichwörtern muss es einfach im Hinterkopf "klingeln" . Vielleicht muss man sich persönlich fragen, ob man das angmessene Risikopotenzial immer richtig einschätzt, oder ob man diese eher verdrängt.