Ereignisbericht lesen

    



 Potenziell gefĂ€hrliche FehlentscheidungRiskoeinschätzung
Bedeutung ⁄ Schweregradpotentiell gefährlich / negatives BeispielHäufigkeitweniger als ein mal pro Jahr
Riskiko / Schwere: 4  ∼   Häufigkeit: 2
Rolle im EreignisArzt / Ärztin / keine AngabeBerufserfahrungweniger als 5 Jahre
PatientenzustandHÀmodynamisch und respiratorisch stabiler Patient, Spontanatmung, kontaktfÀhig, kooperativ.
Wichtige BegleitumständeBlutungsdiathese.
Fallbeschreibung

(Was, Warum, Kofaktoren, Maßnahmen, Verlauf, Epikrise)

Der Notarzt wird im Rahmen einer Folgealarmierung zu einer dringlichen Notarztverlegung von einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung in eine HNO ohne Nennung des Zielkrankenhauses gerufen. Grund sei ein großes HĂ€matom im Gesichtsbereich. Indiziert sei der Notarzteinsatz aufgrund der geforderten Intubationsbereitschaft. Auf der Anfahrt erfĂ€hrt der Notarzt, dass ein RTW mit dem Patienten an Bord unter Nutzung von Sonderrechten bereits unterwegs sei, dass unter diesen UmstĂ€nden ein Rendezvous von RTW und NEF stattfinden wird. Beim Zusteigen des Notarztes in den RTW sah sich der Notarzt mit einem kontaktfĂ€higen, kooperativen, im Sprechen eingeschrĂ€nkten Patienten konfrontiert, welcher ein großes HĂ€matom im Gesichtsbereich zeigte. Der Patient atmete beim Eintreffen des Notarztes durch eine kleine Öffnung im Mundwinkel. Die Nasenatmung war nach seinen Angaben unbehindert möglich. Auf Nachfrage gab der Patient an, dass das HĂ€matom zwar grĂ¶ĂŸer wird, jedoch nur noch langsam, dass er jedoch das GefĂŒhl habe, kontinuierlich Blut zu schlucken. Der einsehbare, nach außen gewandte Bereich des HĂ€matoms blutete diffus. Die Kreislaufparameter und die Pulsoxymetrie zeigten Normwerte bei Raumluft. Ein Stridor war nicht zu vernehmen. Der Notarzt erkannte, dass eine konventionelle Intubation mit den verfĂŒgbaren Ressourcen des NEF im Notfall definitiv unmöglich ist. Er geht zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass der Patient im nĂ€chstgelegen, wenige Kilometer entfernten Schwerpunktkrankenhaus HNO-Ă€rztlich vorgestellt werden soll. Das eigentlich anvisierte Transportziel ist ihm bislang noch unbekannt. Daraufhin nimmt der Notarzt bei erwartet schwierigem Atemweg und der Unmöglichkeit einer konventionellen Intubation bereits jetzt mit dem diensthabenden Arzt der operativen Intensivstation als auch mit dem Dienstarzt der AnĂ€sthesie telefonischen Kontakt auf und bittet nach kurzer Schilderung der Situation um Bereitstellung eines anĂ€sthesiologischen Teams, einschließlich des Equipments fĂŒr den schwierigen Atemweg im Schockraum. Das Eintreffen im Schockraum wird mit wenigen Minuten geschĂ€tzt. Nach diesem Telefonat teilt der NotfallsanitĂ€ter dem Notarzt mit, dass der Transport an die nĂ€chste Uniklinik geht, welche in ca. einer Stunde zu erreichen ist. Dies war dem Notarzt bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Aus unerklĂ€rlichen GrĂŒnden stimmt der Notarzt dem viel weiteren Transport unter diesen Bedingungen zu und sagt im nĂ€chstgelegenen Schwerpunktkrankenhaus ab. Stattdessen bitte er in der Uniklinik um die Bereitstellung der selben Ressourcen. Unterwegs nimmt der Umfang des HĂ€matoms sichtbar zu. Die verbleibende Mundöffnung reduziert sich zum Übergabezeitpunkt auf etwa kleinfingergroß. Der Patient ist durchgehend kooperativ und bekommt keine Panik. Letztendlich kann der Patient mit durchweg normwertigen Parametern an das Intensivteam der Uniklinik ĂŒbergeben werdenSchlagwörter
Intensivmedizin
AnÀsthesie
Notfallmedizin
InterdisziplinÀr
HNO
Andere
Krankenhaus
Rettungsdienst
Boden
Transport von Rettungsmittel in Klinik
Beatmung
Atemweg
Beatmung
schwieriger Atemweg
Patientenverletzung / GefÀhrdung
Lunge / Atemwege
Monitoring
Beatmung (GerÀte und Zubehör)
Sonstige GerÀte
Fiberoptik
BGA-GerÀte
Rettungsmittel (Boden,Luft)
Organisationale Strukturen
Alarmierung
Informationsfluss
Übergabe
Koordination
Aus- und Weiterbildung
ZustÀndigkeit
Leitlinien / SOPs
Was war besonders gut

(hat zur Abschwächung des Ereignisses oder zur Verhinderung geführt?)

Nichts
Was war besonders ungünstig

(hat die Situation noch schlimmer gemacht)

Es fand keine Übergabe Arzt-Arzt statt. Es hĂ€tte den verlegenden Ärzten ersichtlich sein mĂŒssen, dass dieser Patient eben nicht konventionell intubiert werden kann. Konsequent wĂ€re es deshalb gewesen den Patienten vor einem Transport in personell und material gut ausgestatteter Umgebung, beispielsweise fieberoptisch zu intubieren und danach eine Verlegung mit gesichertem Atemweg in eine HNO-Klinik zu veranlassen. Der verlegende Notarzt hat die heikle Situation bei seinem Eintreffen zwar korrekt erkannt und zunĂ€chst auch die richtigen SchlĂŒsse daraus gezogen. Er hat sich jedoch durch ein neues Transportziel verwirren lassen und diesem zugestimmt. Es wurde ihm nach dieser Fehlentscheidung zwar schnell klar, dass dieser lange Transport in Verbindung mit der GrĂ¶ĂŸenprogredienz des HĂ€matoms eine unter UmstĂ€nden akute vitale GefĂ€hrdung des Patienten bedeutet. Im Falle einer Atemwegsverlegung wĂ€re in diesem Fall nur eine Notkoniotomie geblieben. Hierzu hatte der Notarzt jedoch keine Kompetenzen, so dass eine solche Maßnahme einen sehr ungewissen Ausgang gehabt hĂ€tte, zumal der Patient augenscheinlich eine relevante Gerinnungsstörung hatte.
Eigener Ratschlag Bei Verlegungen muss eine Arzt-Arzt Übergabe im verlegenden Krankenhaus am Patientenbett stattfinden. Hier entscheidet ĂŒblicherweise der Notarzt, ob er diesen Transport unter den gegebenen Bedingungen durchfĂŒhren und verantworten kann. Übernimmt der verlegende Notarzt einen kritischen Patienten, so ĂŒbernimmt er die Verantwortung fĂŒr diesen Patienten und fĂ€hrt mit diesem Patienten sinnvollerweise das nĂ€chstgeeignete Krankenhaus an, dies muss nicht ein maximalversorgendes Krankenhaus sein. In dem beschriebenen Fall musste der Notarzt den Patienten ĂŒbernehmen, da der Patient bereits auf der Strecke war. Deshalb hĂ€tte er in diesem Fall unter allen UmstĂ€nden das nĂ€chste geeignete Krankenhaus anfahren mĂŒssen. Die bereits organisierte Übernahme des Patienten an der Uniklinik wĂ€re fĂŒr den Notarzt nicht bindend gewesen. Zu guter Letzt muss man anmerken, dass eine dringliche NAW-Verlegung nicht ohne notĂ€rztliche Begleitung beginnen kann. Ist der Patient in einer solch prekĂ€ren Situation, dass schlichtweg eine vital gefĂ€hrdende Situation mit entsprechend großer Wahrscheinlichkeit unterwegs eintreten kann, so ist der Patient als nicht transportfĂ€hig einzustufen.
 Gedanken zur Analyse und zu Präventionsmöglichkeiten
Der schwierige Atemweg im Rettungsdienst muss mit deutlich weniger Equipment behandelt werden, als in der Klinik. Sowohl die personellen, als auch die technischen Ressourcen sind deutlich eingeschrĂ€nkt. In diesem Ereignis musste von einem schwierigen Atemweg ausgegangen werden. Die Verlegung des Patienten wurde mit Notarzt angefordert. Der Faktor Mensch hat einen großen Teil dazu beigetragen, dass dieses Ereignis geschehen konnte. Der Transport des Patienten wurde ohne Anwesenheit des Notarztes begonnen. Dies kann geschehen sein, weil die Fahrzeugbesatzung Zeit sparen wollte und den Patienten schnellstmöglich in die Zielklinik transportieren wollte. Mit dieser Maßnahme wurde dem Notarzt die Möglichkeit genommen sich vor Ort eine Arzt zu Arzt Übergabe geben zu lassen und sich einen Ersteindruck ĂŒber den Patienten und seinen Zustand zu verschaffen. Eine Übergabe von der Übergabe birgt das Risiko in sich, dass wichtige Informationen verloren gehen. Dies liegt unter anderem daran, dass jedes Teammitglied bei einer Übergabe Dinge anders versteht und priorisiert. In diesem Fall wurde davon ausgegangen, dass die Zielklinik die nĂ€chst geeignete Klinik ist. Diese Information wurde bei der Übergabe nicht weiter gegeben. Eine strukturierte Übergabe hilft das vergessen von Informationen zu verringern. Nach der Untersuchung des Patienten wurden in der gedachten Zielklinik Ressourcen zur Versorgung des schwierigen Atemwegs angefordert. Die geplante Ankunftszeit wurde mitgeteilt. Das geplante Prozedere wurde nach bekannt werden der wirklichen Zielklinik verworfen und die deutlich lĂ€ngere Fahrstrecke in kauf genommen. Diese Entscheidung kann der Tatsache zugrunde gelegen haben, dass der Patient keine auffĂ€lligen Vitalparameter zeigte und angab gut ĂŒber die Nase Luft zu bekommen. Die Aussagen des Patienten begĂŒnstigen die Entstehung eines Fixierungsfehlers. Die neue Zielklinik wurde ĂŒber den Patientenzustand und die benötigten Ressourcen ebenfalls informiert. Dies bot der aufnehmenden Klinik die Möglichkeit, ohne Zeitdruck die anstehenden Maßnahmen zu planen und notwendiges Equipment und Personal zur VerfĂŒgung zu stellen. Wichtig wĂ€re, die Zielklinik zeitnah ĂŒber VerĂ€nderungen zu informieren (kleiner werdende Mundöffnung,....) damit diese sich ggf. UnterstĂŒtzung durch andere Fachabteilungen holen kann.
Der Faktor Erfahrung spielt in diesem Ereignis ebenfalls eine Rolle. Den Kollegen im Rettungsdienst fehlt der routinierte Umgang im Handling des schwierigen Atemwegs, da dieser in der PrĂ€klinik selten vorkommt. Wie bereits geschildert sind die Hilfsmittel im Rettungswagen sehr eingeschrĂ€nkt. In der Zwischenzeit gibt es notarztbesetzte Rettungsmittel, welche ein Videolaryngoskop mit sich fĂŒhren. Dies sorgt fĂŒr eine Verbesserung der Versorgung der Patienten, hĂ€tte in diesem Fall höchst wahrscheinlich aber nicht ausgereicht. Wichtig ist unserer Meinung nach, dass vor einem Transport alle EventualitĂ€ten eruiert und im Team besprochen werden. Dies hilft Fixierungsfehler zu verringern.
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